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Erlebnisse | Visionen

Das Flüstern der Hoffnung

 

Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen, an dem ich mich – nach einer großen Tasse Kaffee – in die Stille begab. Wie immer war mein erstes Anliegen die Reinigung meines Energiefeldes, welche für mich, ebenso wie Duschen und Zähneputzen, zu meinem „Rundum-Pflegeprogramm“ gehört. Nach dieser energetischen Grundreinigung und dem anschließenden Schützen von Chakren und Aura pflege ich es, meinen Geist auszudehnen und die Visionen zuzulassen, welche zu mir kommen möchten. Dabei ist es wichtig, fließen zu lassen, anzunehmen und völlig wertfrei zu betrachten, was sich da zeigt – egal wie abwegig das Gesehene auch manchmal erscheinen mag.

An diesem Morgen betrat eine fast schon märchenhafte Wesenheit meinen geistigen Raum, welcher sich, im Kontrast zu dem irdischen Morgen am Kaffeetisch, wie ein sternenklarer Nachthimmel um mich herum offenbarte. Ohne zu werten, beobachtete ich, wie sich die Vision, die da gerade vor meinem dritten Auge Gestalt annahm, konkretisierte. Direkt auf mich zu schlurfte ein gutmütiger, sehr alter Mann im beigen, langen Nachtgewand, welches seine Füße komplett bedeckte und dabei wallende Falten schlug. Sein langes Haar und sein ebenso langer Bart schimmerten silbrig im Licht der Sterne und bildeten ebenfalls einen starken Kontrast zu dem hellen Gewand – genau wie seine strahlend blauen Augen, die mir wach und freundlich aus dem vom Leben geprägten, faltigen Gesicht entgegenblickten. In seinen knochigen, von dicken Adern durchzogenen Händen, trug er vor seiner Körpermitte einen gusseisernen Kerzenhalter mit Henkel, der offensichtlich mindestens genauso alt war, wie der alte Mann selbst – oder noch viel älter. Eine weiße Kerze mit eleganter Flamme brannte auf dem eisernen Halter ruhig vor sich hin, während dann und wann ein Tropfen Wachs an ihr hinunterrann.

Der Alte lächelte freundlich, als er direkt vor mir stehen blieb. Sein Blick war wach und offen und was er ausstrahlte, waren tiefes Wissen und Weisheit. Da mir dieses geistige Wesen jedoch bisher noch nie begegnet war, stellte ich folgende wichtige Frage, die bei jeder neuen Begegnung in den geistigen Reichen der möglichen Kommunikation vorausgehen sollte: „Entspringst du dem Licht?“ Mit sanfter Stimme antwortete mir der alte Mann schlicht: „Ja.“ „Wer bist du?“, fragte ich daraufhin. „Ich bin die Hoffnung“, entgegnete der Alte, „und ich möchte dir etwas sagen, beziehungsweise möchte ich etwas richtigstellen, was ihr Menschen anders versteht und weitererzählt, als es tatsächlich ist.“ Behutsam reckte er mir den Halter mit der brennenden Kerze entgegen. „Puste!“ Ich pustete. Die schlanke Flamme bog sich unter meinem Atem – und richtete sich sofort wieder auf, als ich mit dem Pusten aufhörte. Der Alte lächelte verschmitzt und seine blauen Augen blitzten. „Puste noch einmal!“ Ich pustete erneut, diesmal stärker. Wieder bog sich die Flamme – und wieder richtete sie sich auf, sobald ich aufhörte zu pusten. „Na los, puste fest – so fest du kannst!“, motivierte mich die Hoffnung und die Augen des alten Mannes strahlten voller Energie und Schalk. Ich kam seiner Aufforderung noch einmal nach und pustete so fest ich konnte – und zum dritten Mal beugte sich die Flamme in die Waagerechte, um sich sofort wieder aufzurichten, als mir die Luft ausging. Der alte Mann lächelte sanft und begann, mir sein Wesen zu erklären – das Wesen der Hoffnung! Diese wegweisenden Worte, an die ich in bestimmten Situationen denke und die ich nie mehr vergessen werde, möchte ich an dieser Stelle weitergeben:

„Ihr Menschen verwendet oft eure eigens erschaffene Redewendung ‚die Hoffnung stirbt zuletzt‘, doch ich kann euch versichern, dass dies so nicht stimmt. Ich bin die Hoffnung und ich bin unsterbliche Energie – unvergängliches Licht! –, auf welches ihr erst dann schaut, wenn alles verloren scheint. Erst wenn ihr am meisten bangt, beginnt ihr zu hoffen – mein Licht suchend und euch an mich klammernd. Erst wenn ihr im Dunkeln steht, ruht euer Blick auf meiner Flamme. Euer Glaube an mich ist fest, solange die Dinge sich so entwickeln, wie ihr es euch erhofft. Ist euer Schicksalsweg – euer Weg der Bestimmung – jedoch ein anderer – vielleicht sehr schmerzhaft und von Leid geprägt –, bin ich für euch gestorben. Dann gibt es für euch keine Hoffnung mehr. Doch das ist nicht so! Ich bin Lichtenergie, unabhängig von den Seelenwegen, für die ihr euch einst freiwillig entschieden habt, um Wachstum zu erfahren! Meine Aufgabe ist es, euch genau dann an Licht zu erinnern, wenn ihr beginnt zu zweifeln und euch fast in der Dunkelheit verliert. Dann bin ich euer Lichtstreif am Horizont, der Leuchtturm in den Stürmen auf dem Ozean eures Lebens und der Vogel, der zu singen beginnt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Ich bin immer da und gerade dann, wenn ihr das Gefühl habt, von Dunkelheit zu Dunkelheit zu irren – den Weg nicht mehr sehend, auf dem ihr geht –, bin ich wegweisend und schenke euch mein Licht … doch es obliegt mir nicht, etwas zu verändern, was nicht vorgesehen ist zu sein. Dennoch erinnere ich euch daran: Egal was ist – gebt mich niemals auf! Sucht das Licht! In dem Wissen, dass meine Flamme im Licht der Ewigkeit leuchtet, haltet an mir fest!“

Der alte Mann ließ sich zufrieden in einem Schaukelstuhl nieder, den gusseisernen Kerzenhalter mit der brennenden, sanft leuchtenden Kerze auf dem Schoß. Genau so finde ich ihn heute noch vor, wenn ich das Bedürfnis habe, seinem Flüstern zu lauschen.